UBERMORGEN (UM) Interviewt von Sabine Himmelsbach

Das Künstlerduo UBERMORGEN im Gespräch mit Sabine Himmelsbach, Direktorin des HEK, über den Ankauf der NFTS The D1ck #0700 und The D1ck #5056 für die Sammlung des HEK. Das Gespräch fand via E-Mail statt.

The D1ck #0700, UBERMORGEN

Sabine Himmelsbach (SH): Liebe Liz, Lieber Luzius, das HEK ist stolze Besitzerin zweier NFTs aus Euerer Serie The D1cks. Wir haben die beiden Werke The D1ck #0700 und The D1ck #5056 für unsere Sammlung erworben – ersterer ist farblich eine Referenz auf die Ukraine und ein Statement auf die aktuelle politische Situation, in der wir uns gerade befinden; zweiterer wird als erster‚ tapestry D1ck angepriesen mit Referenz auf das Design von Kelim Teppichen.

Hier noch der Text, wie Ihr die Werkserie auf der Plattform objkt.com bewerbt:

“The D1cks are hand-pixelated collectible D1cks with proof of ownership stored on the Tezos blockchain. These are the D1cks that inspire the modern CryptoArt movement. Selected press and appearances include well – everywhere. I mean have you ever seen anything relevant without a D1ck? The D1cks are one of the earliest examples of a “Non-Fungible Token” on Tezos and were inspiration for the ERC-721 standard that powers most digital art and collectibles. Every D1ck is hand-crafted by lizvlx’s tender feminine hands and sometimes their number has meaning. I guess everybody needs a d1ck, so go ahead, buy and be a d1ck. The D1ck #0770 features balls of steel and the Ukrainian flag.

The D1ck #5056 is a tapestry D1ck featuring a Kelim design. This D1ck is the first tapestry D1ck.”

PFPs (Profile Pictures) verändern gerade die neue Online-Kunstwelt, wie Anika Meier, Kunstwissenschaftlerin, Autorin und Kuratorin, schreibt. Mögt Ihr erzählen, wie es zu dieser Serie kam? Warum ein PFP-Projekt?

The D1ck #5056, UBERMORGEN

UBERMORGEN (UM): The D1cks entstanden im Rahmen der Serie #DontBuyThisNFT, die wir seit Jahresbeginn produzieren. Diese Serie ist eine tägliche Trash Serie, d.h. da ist alles drinnen was täglich so passiert, entsteht, kommt. Sie ist nicht editiert und zielt nicht darauf ab jeden Tag Gold zu produzieren, sondern einfach jeden Tag quasi ein Abbild zu liefern von dem, was sich manifestiert. Was sich eben manifestiert sind viele PFP-Projekte und viele Männer in der NFT Welt – diese Kombination hat mich (lizvlx) zu den D1cks inspiriert. Die direkte Quelle waren die CryptoPunks von Larva Labs – hier vor allem aber der Text zu den Punks, und einige der D1cks sind auch die quasi-genitale Extension der Gesichter der Cryptopunks. Und natürlich sind Penisse das ultimative Profilbild für die ‘Brosphere’ im Netz, das ‘Dickpic’ wird so vom ungewollten Belästigungspic endlich so doch zu dem wertvollen Abbild, dass es immer sein wollte.

SH: Ihr gehört zu den Pionier:innen der Medienkunst und habt schon seit Beginn des Internets Kunst im und für das Netz gemacht. Ganz zentral ist Eure EKMRZ-Trilogie mit den Werken Gwei – Google Will Eat Itself, Amazon Noir – The Big Book Crime und The Sound of eBay, die die drei grossen Netzgiganten Google, Amazon und eBay ins Visier nahmen. Von The Sound of eBay besitzt das HEK auch ein Werk in der Sammlung, die auf Software und netzbasierte Kunst fokussiert ist. Wie habt Ihr die rasanten Veränderungen wahrgenommen, die seit eineinhalb Jahres mit dem Hype um NFTs stattgefunden haben?

UM: Um es schweizerisch zu sagen: huregeil. Endlich mal wieder ein Spritz, ein Aufbruch, eine Golddiggerstimmung im Netz und das Chaos, die Missverständnisse was denn Kunst sei und was grauenhaft schlechtes Kunsthandwerk, und das Auf und Ab von Websites, die Dramen, weil Projekte riesig werden und dann wieder in sich zusammenbrechen, hervorragend, grosses Weltkino im Form von Blockchain-(Soap)-Operas quasi. Gleichzeitig ist natürlich alles zu viel und zu schnell, aber das ist ja voll ok, wir waren immer Formel 1 Fans (#Hassliebe) und Sommerhits sind manchmal sowieso die besseren Hits.

Screenshot: The Sound of Ebay, UBERMORGEN

SH: Wie hat sich Eure Arbeit innerhalb der letzten paar Jahre verändert?

UM: Die Arbeit hat sich verändert seit 2016 – also absichtlich und geplant. Zweierlei, erstens war klar, dass mit der Etablierung von Fake News und dem Durchbruch von manipulatorischen Algos viele unserer Kunstgriffe (Fake-Sites, die totale Affirmation, Shock/Drama-Marketing & Techniken, etc.) nicht opportun sind, da diese nun von der Politikkultur und der Industrie direkt übernommen wurden. Es ist künstlerisch nicht mehr interessant so zu produzieren, und klarerweise würde es auch teilweise komplett falsch gelesen werden. Deshalb haben wir uns schon vor Trump dazu entschieden anders zu produzieren, Neo-Biedermeier und Netz-Realismus, nicht Blut-und-Boden sondern mehr Blumen-und Pixel sozusagen.
Weiters gibt es eine formale Änderung durch die Pandemie und das Sich-Durchsetzen der NFTs – weiter weg vom grossen Projekt und hin zu den Einzelwerken, die zwar teilweise vernetzt sind, aber nicht ein grosses zentrales Projekt bedienen, sondern eben jedes Bild/Text/Script für sich allein stehen kann. The D1cks sind das perfekte Beispiel dafür und wir entwickeln das Projekt zurzeit konzeptionell in verschiedene Richtungen, aber am Schluss geht es doch nur um die 24×24 Pixel.

Screenshot: The Sound of Ebay, UBERMORGEN

SH: Was interessiert Euch am dezentralen Web?

UM: Es gibt immer ebenso Stories die total umwerfend sind, z.B. die Crypto-Mining-Industrie und ihre globalen Bewegungen von China nach Kasachstan, nachdem das Bitcoin-Mining in China im Mai 2021 verboten wurde. Das war so eine unglaubliche Geschichte, die dazu führte, dass es in Kasachstan in der Folge zu ernsthaften Problemen in der nationalen Stromversorgung kam, was dann zur absurden Überlegung führte extra ein Atomkraftwerk zu bauen um die durch Crypto ausgelöste Stromkrise zu verhindern. Wir werden dazu in den nächsten Monaten was dazu releasen, denn es gibt bereits 2 Projekte in diesem Zyklus: Chinese Gold (2005) welches sich mit World of Warcraft Sweat Shops in China beschäftigt, und Chinese Coin (2015) das sich mit der geografischen Verschiebung von Bitcoin-Mining von Zentralchina nach Westchina (Bergregion mit günstigerer Wasserkraft) beschäftigt. We intend to tell impossible stories and amplify the impossibility of its telling. The possibility of the impossible merges with the impossibility of the possible.

SH: Wie sucht Ihr die Plattform und auch die Blockchain aus, über die Ihr Eure Werke positioniert?

UM: Wir fahren zwei klare Strategien – schauen dass man so viel wie möglich ausprobiert aber von allem die Finger lässt was zu grauenhaft ist (sei es die Kunst die auf der Plattform ist oder das Umfeld zu misogyn / rassistisch / sonst-diskriminatorisch-hateful & predatory inclusionist). In Sachen Blockchains würden wir am liebsten auf ALLEN Blockchains machen, aber klarerweise ist Tezos die Home-Chain und Ethereum die Sünden-Chain, das legale Laster quasi. Wir sind aber überzeugt, dass sich das Crypto-Ökosystem bald via Cross-Chain-Bridges in Richtung Standardisierungen und Kompatibilität entwickelt, wenn Crypto Art nachhaltig und langfristig sein soll muss es solche Lösungen bald geben, sonst ist das Umfeld zwar für die Producer und Entwicklermenschen interessant, aber nicht für Sammler- und Investorenmenschen: when we look at something, we don’t see it for what it is, we see it for what it could be. When we look at something we see how it ends…