Rückblick Museumsnacht 2025: My Name is Fuzzy

Isabella: Wer ist Fuzzy? Wie ist die Persona entstanden?
Fuzzy: Fuzzy ist wie eine Version von mir selbst, die zu einem Charakter wurde. Es hat vor etwa fünf Jahren begonnen, als ich Musikinstallationen machte und dafür eine Person brauchte, die singt. Erst war ich mir unsicher, ob ich diesen Part selbst übernehmen sollte. Schliesslich entschied ich mich dafür. In verschiedenen Projekten wurde Fuzzy zu einem Charakter, ein alter Musikstar aus der Vergangenheit. Es ist lustig, weil Fuzzy für mich, wirklich ich bin – einfach ich in der jeweiligen Rolle. Für die Zuschauenden wurde er zu einem Charakter, mit dem ich spiele. Ich mache keinen grossen Unterschied zwischen uns. Auf der Bühne schlüpfe ich einfach in die Rolle von Fuzzy. Er ist eine Figur, mit der ich jede Geschichte gut erzählen kann, da sie sowohl persönlich als auch fiktiv sein kann. Das gefällt mir.
I: Und der Name?
F: Fuzzy ist ein alter Spitzname aus meiner ersten Band (The Rambling Wheels) Anfang der 2000er. Ich war ein schlechter Gitarrist, also habe ich ein «Fuzz-Pedal» benutzt, um es zu kaschieren. Ich hatte eine Mütze, auf der stand: «My name is Fuzzy». Als ich mit meinem Soloprojekt anfing, hatte ich keine Ahnung, wie ich es nennen sollte, dann sah ich die Mütze und dachte: «Okay, dann heisst mein Projekt «My name is Fuzzy».» Ich mag den Titel, weil «fuzzy» auch sowas wie «verschwommen» oder «nicht ganz klar» bedeutet. Meine Projekte verwischen manchmal die Grenzen zwischen verschiedenen Dingen, also passt der Titel ganz gut.
I: Während der Museumsnacht 2025 haben wir dein Werk La machine à tubes [Die Röhrenmaschine] präsentiert. Kannst du uns mehr dazu erzählen?
F: Die Idee dazu hatte ich bevor Künstliche Intelligenz (KI) so einfach zugänglich war. Meine vorherigen Projekte haben sich immer darum gedreht, neue Wege zu finden, Popmusik zu präsentieren. Ich habe Popmusik gemacht, wollte aber nicht weiter touren, Singles aufnehmen und den üblichen Mustern der Musikindustrie folgen. Ich wollte freier darin sein, wie ich meine Musik präsentieren kann. So habe ich angefangen Musikinstallationen zu kreieren. Zuerst war die Idee, einen digitalen Doppelgänger von mir zu erschaffen, damit Leute in meinem Namen Songs schreiben können. Anfangs ging es darum, den Menschen Samples zur Verfügung zu stellen, mit welchen anschliessend Songs kreiert werden konnten. Während ich mich im Projekt vertiefte, wurde KI immer zugänglicher. So wurde daraus ein Doppelgänger von mir, der live Songs für Leute schreiben kann.
Es geht um das Bild eines Künstlers, der die Fantasie jagt, einen Hit zu schreiben. Diese Maschine macht dasselbe – sie hört nicht auf zu produzieren, ohne zu wissen, ob sie jemals einen Hit schreibt. Das war ein Teil des Konzepts. Ich habe die frühen KI sehr gemocht, da mich die Unvollkommenheiten zum Lachen brachten. Wenn ein Roboter einen Fehler macht, löst das etwas zwischen Belustigung und Mitleid aus. Die kaputte Seite davon sagt etwas über das Thema aus und auch darüber, wie schnell sich Technologie entwickelt. Lustig ist, dass die Installation umso erfolgreicher wird, je älter sie wird. Ich dachte, ich würde sie sechs Monate lang zeigen und danach würden die Menschen das Interesse verlieren, aber sie zieht weiterhin Aufmerksamkeit auf sich.

«La machine à tubes» 2023, My Name is Fuzzy während Museumsnacht 2025 im HEK. Bild: Moritz Schermbach

«La machine à tubes» 2023, My Name is Fuzzy während Museumsnacht 2025 im HEK. Bild: Moritz Schermbach
I: Wie funktioniert sie?
F: Alle Texte basieren auf Dingen, die ich in Interviews gesagt habe. Als wir das Projekt gestartet haben, war es nicht möglich, eine KI mit meinen Songtexten zu trainieren. Dies, weil ich nicht bereits Tausende von Songs geschrieben habe. Die Maschine hat keine brauchbaren Ergebnisse ausgespuckt, wenn sie nur mit 40 Songs gefüttert wurde. Stattdessen haben wir Transkripte von Interviews genommen, Sätze ausgewählt und diese als Grundlage verwendet, um KI-Texte zu generieren.
Die Melodien sind von meinen bestehenden Songs inspiriert. Wenn eine Person «traurig» am Terminal auswählt, nimmt das System eine Melodie aus einem meiner traurigen Songs und lässt sie durch eine KI laufen, um etwas Neues zu generieren. Es entstehen auch Zufälle aus gesampelten Klängen, von dem Keyboard, welches ich am meisten spiele. Dabei sollen die Songs wie Demos klingen, welche von mir sein könnten.
Für die Texte haben wir «ChatGPT» mit einer «API» (Programmierschnittstellen) genutzt. Für die Melodien haben wir «Magenta» verwendet, eine KI von Google, die mittlerweile fast 10 Jahre alt ist. Als das Projekt begann, konnte KI keine Gesangsstimmen erzeugen. Also habe ich meine Stimme geklont. Ich habe eine Stunde lang monoton gesprochen und dies aufgenommen und dann durch ein Live-Autotune laufen lassen, um die Aufnahmen zum «singen» zu bringen. Das Ganze wurde mit zugänglichen, günstigen Tools gebaut, da wir keine Ressourcen für grosse Studios hatten.
I: Siehst du KI-Modelle als Kollaborateur:innen, Werkzeuge oder etwas dazwischen?
F: Ein bisschen von beidem. Ich nutze KI oft für kleine Dinge – entweder aus praktischen Gründen oder weil ich die kreative Seite daran mag. Aber ich sehe auch ihre Grenzen. Im Moment denke ich nicht, dass KI interessante Texte schreiben kann – sie ist nicht kreativ genug. Aber für sachliche Dinge, wie das Umschreiben von Bewerbungen, ist sie sehr nützlich. Wird KI für das Kreieren von Melodien verwendet, fühlt es sich so an, als wären weitere Musizierende im Studio.
Ich habe keine Angst davor, in der Kunstwelt von KI ersetzt zu werden. Es ist eher ein Werkzeug oder ein:e Kollaborateur:in, mit der oder dem wir arbeiten können. Das Interessante ist, was wir mit KI machen, nicht, was sie von allein tut.
I: Nostalgie scheint in deiner Arbeit durch deine ästhetische Sprache aufzutauchen. Du hast es zuvor als retro-futuristisch beschrieben. Welche Bedeutung hat das für dich?
F: Ich glaube, ich habe einfach «alte» Geschmäcker. Jedes Mal, wenn ich etwas entwerfe, neige ich natürlich zu «Retro-Ästhetik». Ich bin nicht nostalgisch – ich sehne mich nicht nach der Vergangenheit –, aber ich mag es, bestehende Stile mit etwas Neuem zu mischen. Das lässt mich in der zeitgenössischen Kunstszene etwas «off» fühlen, weil dort jede Person etwas völlig Neues will. Aber ich arbeite gerne mit Dingen, die vertraut sind, mit denen sich Menschen identifizieren können. Meine Arbeit hat oft eine ironische Distanz und ich denke, dass gilt auch für meine Designentscheidungen – ich betrachte Dinge aus der Ferne, einschliesslich der Zeit selbst.
I: Gibt es einen Beitrag – ob YouTube-Video, Kunstwerk, Musik, Meme, usw. –, welchen du für sehenswert haltest?
F: Einer kommt mir in den Sinn – Soundtracks im SFMOMA 2017. Es war das erste Mal, dass ich Musik ausgestellt gesehen habe. Es hat mir Vertrauen gegeben Musik auf die ausgestellte Weise anzugehen. Ein Werk, welches mich besonders beeindruckt hat, war Visitors von Ragnar Kjartansson. Es zeigte grosse Bildschirme in verschiedenen Räumen eines Hauses mit Musiker:innen, die zusammen spielten. Diese Ausstellung, zusammen mit der Entdeckung der Werke von Bill Viola, zeigte mir, dass ich weiterhin Popmusik machen kann, aber sie anders inszenieren muss. Dies hat mich in jene Richtung geleitet.
I: Was kommt als Nächstes für Fuzzy – oder für Bastien? Gibt es spannende Projekte am Horizont?
F: Mit dem französischen Musikproduzenten Corentin Kerdraon, wählen wir 10 Songs von insgesamt 4.000 aus, die die Maschine bereits produziert hat. Wir nehmen die Songs mit Musiker:innen neu auf, um sie zu «echten» Songs zu verfeinern. Die Idee ist es, den Kreis zu schliessen – die Maschine ist inspiriert von mir und die Songs generieret durch das Publikum. Diese werden schliesslich von Menschen neu interpretiert. Dies wird ein Album, das ich nicht geschrieben, sondern provoziert habe.
Nächstes Jahr arbeite ich an einer KI-gesteuerten Improvisationsshow mit zwei Schauspieler:innen. Das Publikum und die KI erstellen eine PowerPoint zu einem absurden Thema. Die Schauspieler:innen, welche die PowerPoint zuvor nicht gesehen haben, müssen sie anschliessend präsentieren. Es ist eine Mischung aus Theater und Chaos. In einem weiteren Projekt tauche ich in die elektronische Musik ein und arbeite an einem Solo-Live-Techno-Set – ohne Computer, nur Maschinen, vollständig live und etwas improvisiert. Es ist ganz anders als meine üblichen Bühnenauftritte.