Die ökologische und die elektronische Haut

Gedanken zur audiovisuellen Tanzperformance ESKIN 5 zum Thema Klimawandel von Laila Grillo, einer der fünf Teilnehmer*innen mit einer Sehbehinderung.

ESKIN ist ein englisches Wort und steht für “SKIN” (Haut) und das “E”  steht für “Ecology” sowie für “Electronic”.

Ökologisch und elektronisch. Darunter konnte ich mir anfangs nichts vorstellen, bis ich Jill Scott, die Regisseurin des Stücks kennenlernte.

In einem unserer Treffen wurde mir klar: E = elektronisch. Weil die Tanzelemente, mit denen das Stück aufgeführt wird, mit faszinierenden remote- und wireless Utensilien verbunden sind, die auf Bewegungen reagieren und mit denen man Geräusche erzeugen kann. Klasse! Aber “E” heisst auch “Ecology”. Die Haut, sei es nun jene eines Menschen, jene der Erde, oder jene eines jeglichen Lebewesens ist durchlässig und umhüllt einen.

Die Haut, welche die Erde umgibt, wird auch als “Erdkruste” bezeichnet. Mal ist sie tief in das Erdreich eingegraben, in Form von Flüssen, Schluchten, Meeren. Mal ist sie hoch aufgetürmt, wie in Form von Bergen, mal flach und sandgefüllt wie die Wüsten.

Faszinierend, wie vielfälltig die Erdkruste sein kann, sich immer verändernd, sich anpassend, atmend. Atmend durch Löcher (Vulkane), heisse Quellen, Plattenverschiebungen, die Energie freisetzen.
Verletzlich, weil sich Risse in ihr bilden, wenn es zu trocken ist.
Veränderbar, wenn sich die Nutzung verändert (Waldbau, Landwirtschaft, Steinbruch, Bohrungen etc.).
Man kann viele Dinge aufzuzählen, doch Fakt ist, dass wir in einer sich wandelnden Welt und auf einer sich ständig anpassenden und verwandelten Erde leben – Einer Erde, der wir Sorge tragen müssen!

Das Stück beginnt mit der Idylle des Dorfes, der Heimat. Bewegungen erzeugen Geräusche, an die wir uns in der Kindheit erinnern. Kuhgebimmel, der Geruch von frisch geschnittenen Grases oder vom Heuen. Das Geräusch von sich unterhaltenden Menschen in einem Restaurant.

Wechsel, Lärm, Hektik und gespenstische Schläge eines Hammers. Die Stadt, gross, laut, immer in Bewegung. Es entsteht immer etwas Neues. Es mag auch der Eindruck entstehen, dass es in der Stadt tendenziell wärmer ist als auf dem Land. Asphalt, Flachdächer und Betonmaterialien in den Städten absorbieren die Sonnenstrahlung durch den Tag und sind richtige Öfen, deren Wärme auch lange nach Sonnenuntergang nicht auskühlt. Dazu erinnere ich mich an eine warme Steinmauer (Backstein), die um Mitternacht regelrecht Wärme ausstrahlte, fast wie eine Heizung. Ist das wärmere Mikroklima der Stadt ein Problem für unsere Umwelt, ein Beitrag zu mehr Treibhauseffekt?

Das Wasser. Leise vor sich hinplätschernd, sich verändert bis zu einem kleinen Rinnsaal. Warum? Auch wir Menschen verändern die Wasserläufe. Wir kanalisieren sie, machen sie unterirdisch oder verschmutzen sie ganz einfach mit vielerlei Dingen, auch Unsichtbarem. Das Mikroplastik ist uns seit Kurzem erst bewusst. Eine Problematik, die unbedingt angegangen werden sollte. Ein Bekannter sagte mir einmal, es gäbe soviel Plastik im Meer wie Fische. Was tun?

Der Wald. Beeinflusst von Stürmen, Käfern, Trockenheiten. Ein Platz für Naherholung, Herberge für Insekten, Vögel, Pflanzen und andere Tiere, ein Biodiversitätsort, den es zu bewahren gilt.

Das zweite E , auf Deutsch “Ökologie”, ist ein wichtiges Element dieser Tanzaufführung. Wir möchten aufzeigen, wie wir Tänzerinnen und Tänzer (alle mit Sehbehinderung) diese Veränderungen wahrnehmen. Sie sind fühlbar, hörbar, spürbar. Hörbar im Lärm, fühlbar in den Wärmeunterschieden zwischen Stadt und Land, und spürbar, indem vieles nicht mehr so ist, wie wir es in unserer Kindheit in Erinnerung haben.

Der Verkehr, die Mobilität nimmt zu. Wir reisen schnell und bequem, verursachen aber auch Abwärme durch Abgase. Die Atmosphäre der Erde, die zweite Haut, gerät aus den Fugen, sie kann nicht mehr atmen, es wird wärmer, spürbar wärmer.

Der Platz zwischen Erde und All füllt sich mit Menschen und Gasen, wo bleiben die Regulatoren? Die Regenwälder, die “grünen Lungen” der Erde? Die Meere, die viel CO2 speichern? Die Berge, die durch Bergbau gesprengt werden? Die Flüsse und Bäche, die wegen zu grosser Trockenheit austrocknen? Wo der Regen, von dem wir alle abhängen?

Vieles ist im Wandel und dem Bleibenden sollten wir Sorge tragen! Eine unreine Haut / eine unreine Erde fühlt sich nicht wohl, sie ist der “Spiegel” der Seele.

Das Stück ESKIN 5 setzt sich mit Klimawandel und Ökologie, Wissenschaft und elektronischen Medien auseinander. Eine ganz andere Art, die Leute auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Das Stück vermittelt mir eine ganz neue Ausdrucksweise, eine Herangehensweise an ein Thema, welches ich nur wissenschaftlich gekannt habe. Im Rahmen meines Studiums (Wertschöpfungsketten und ländliche Entwicklung an der Berner Fachhochschule) ist Klimawandel auch ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen.

Ich freue mich, mich mit ESKIN 5 einem neuen Medium zu nähern, um Diskussionen anzuregen, meine Meinung Kund zu tun und bin gespannt auf neue Begegnungen und einen regen Austausch.

von Laila Grillo

ESKIN ist eine audiovisuelle Tanzperformance, ein Inklusionsprojekt zu Klimawandel und Medienkünste.

ESKIN ist ein Medienkunstprojekt zum Thema Klimawandel unter der Leitung der schweizerisch-australischen Medienkünstlerin Jill Scott. ESKIN ist eine kreative und multidisziplinäre Bühnenplattform, die es sehenden und sehbehinderten Teilnehmer*innen ermöglicht, sich performativ auszudrücken. Es ist eine kollaborative Produktion von fünf Darsteller*innen, zwei Choreograf*innen, sechs Medienkünstler*innen und zwei wissenschaftlichen Berater*innen. Sie gestalten einen Workshop und erarbeiten gemeinsam fünf Szenen auf einer neuartigen Medienkunstbühne unter Einbezug von Klangobjekten, tragbaren Technologien, interaktiven Grafiken und real-time Computerinteraktionen.

Während der Aufführung im HeK werden die fünf Szenen, die von den Teilnehmern während des Workshops entwickelt wurden, für das Publikum gespielt, so dass eine spektakuläre audiovisuelle Performance entsteht, die einen emotionalen Dialog zwischen den Zuschauern und den Darstellern schafft.