Dezentrale Serie: UBERMORGEN “Everybody needs a d1ck, so go ahead, buy and be a d1ck“ – Anika Meier

Dezentrale Serie: “Everybody needs a d1ck, so go ahead, buy and be a d1ck” – Zur NFT Collection “The D1cks” von UBERMORGEN geschrieben von Anika Meier.

Dezentrale Serie: “Everybody needs a d1ck, so go ahead, buy and be a d1ck” – Zur NFT Collection “The D1cks” von UBERMORGEN geschrieben von Anika Meier.

The D1cks #2711, UBERMORGEN

Das Künstler-Duo UBERMORGEN ist international bekannt für Media Hacking und digitalen Aktionismus. Sie sind Pioniere der net.art, die CNN hat sie als „maverick Austrian business people“ beschrieben, die New York Times nannte sie „simply brilliant“. UBERMORGEN, das sind seit 1999 Maria Haas (a.k.a. Liz oder lizvlx) und Hans Bernhard (a.k.a. etoy.HANS, etoy.BRAINHARD, hans_extrem, e01, Luzius Bernhard), die in Wien leben und an der Kunsthochschule für Medien Köln unterrichten. Ihre Kunst war unter anderem im MoMA/PS1, Whitney Museum, Centre Pompidou und im New Museum ausgestellt, ihre Einflüsse sind Rammstein, Samantha Fox und der Wiener Aktionismus. In der Tradition der Wiener Aktionisten steht der digitale Aktionismus, der den digitalen Raum nutzt. „Digitaler Aktionismus bedeutet freie Radikale, Experimente auf dem Markt der Aufmerksamkeit – den globalen massenmedialen News-Kanaelen“, schreibt Hans Bernhard in seinem Text „Media Hacking – Digitaler Aktionismus“. Und Media Hacking definiert er als „das massive Eindringen in massenmediale Kanaele mit Standardtechnologie wie z.B. Email und mobile Kommunikation (Handy).“https://www.ubermorgen.com/publications/iem_cube_2005/CubeMediaHacking.htm

Im Jahr 2000 beispielsweise boten UBERMORGEN US-amerikanischen Wählern unter dem Slogan „Bringing Capitalism and Democrazy Closer Together!“ zur Präsidentschaftswahl an, ihre Stimmen im Internet über eine Online-Auktions-Plattform meistbietend zu versteigern. Die Stimmen eines US-Bundesstaates sollten an den Meistbietenden verkauft werden, der Anteil am Erlös sollte an die Stimmenverkäufer ausgezahlt werden. Das ist natürlich nicht erlaubt. In 4 Bundesstaaten wurden Verfahren eingeleitet, letztendlich aber konnten UBERMORGEN keine illegalen Aktivitäten nachgewiesen werden.

In der Sammlung des HEK Basel befindet sich die Arbeit „The Sound of eBay“, eine Website generiert aus den Nutzerdaten von eBay MP3 Tracks, die in Form von Teletext Sex Ads präsentiert werden. UBERMORGEN beschreiben die Arbeit als “affirmative high-end (media hacking), low-tech (teletext-look) contribution to the atomic soundtrack of a new shock capitalism”. Nach den drei Big Playern des E-Commerce – Google, Amazon und eBay – nehmen sie sich jetzt NFTs vor, die Hyper-Kapitalisierung des Kunstmarkts und besonders der digitalen Kunst.

Deshalb auch der Stakkato-artige Überblick über das Schaffen von UBERMORGEN. Man muss ihre Geschichte und ihr Werk  kennen, um nicht die Stirn zu runzeln und zu denken, es seien die nächsten Künstler auf schnelles Geld durch NFT-Verkäufe aus. Denn das scheinen NFTs zu versprechen. Und so ist auch der Eindruck, wenn man durch die einschlägigen Medien blättert. Zuletzt titelte der Spiegel „Ich habe ein NFT gekauft – werde ich jetzt reich?“ Spoiler: natürlich nicht. Aber wie gesagt, der Eindruck entsteht, wenn man an die Auktion von Beeple im Frühjahr bei Christie’s von „Everydays – The First 5000 Days“ denkt, der Auktionsrekord von 69,3 Millionen US Dollar ist noch immer ungebrochen. Gefühlt täglich gibt es neue Meldungen zu sehr hohen Summen, die für NFTs aus den Sammlungen Bored Ape Yacht Club und CryptoPunks gezahlt werden, für Cartoon-Bilder von Affen und für Pixel-Bilder von Punks. Ein solcher Auktionsrekord war auch Anlass für UBERMORGEN zu reagieren, das Ergebnis ist die Sammlung „The D1cks“, die sich direkt auf die CryptoPunks von Larva Labs bezieht.

https://objkt.com/collection/KT19gWnTdsLQVuhdZgMBpTuXHh1JWGciPtiJ

The D1ck #0101, UBERMORGEN

Die CryptoPunks sind eine Sammlung von 10.000 automatisch generierten 24×24 Pixel Avataren mit individuellen Merkmalen. Auf der Website larvalabs.com kann man sich die Übersicht über die Typen und Attribute und ihre Verteilung ansehen. Es gibt Aliens (9), Zombies (88), Affen (24), Männer (6039) und Frauen (3840). Es gibt Attribute wie Mohawk (441), Stirnband (406), Cowboyhut (142), Zigarette (961), Hoodie (259), 3D-Brille (286), Beanie (44), Clownsnase (212), Goldkette (169) und viele mehr. Heute wechseln diese NFTs für Hunderttausende, in einigen Fällen auch für einige Millionen Dollar den Besitzer. Über 10.000 Mal haben in den vergangenen 12 Monaten CryptoPunks über den Marktplatz von Larva Labs den Besitzer gewechselt. Damals aber, im Juni 2017 gab es die Punks gratis, die Sammler mussten lediglich die Transportkosten bezahlen, die so genannten Gasgebühren. Ob das technisch und psychologisch funktionieren würde – darüber haben Hall und Watkinson oft in Interviews gesprochen –, wussten sie natürlich nicht. Es war ein Experiment, sie wollten herausfinden, ob Menschen digitalem Besitz einen Wert zu schreiben. Die Antwort kennen wir mittlerweile: ja.

Im Juni 2021 wurde ein Alien bei Sotheby’s für 11.75 Millionen Dollar verkauft. Im Mai 2021 wurde eine Sammlung von neun Punks für 16.9 Millionen Dollar bei Christie’s verkauft. Am 12. Februar wurde Punk #5822, einer von 9 Aliens, für 23.7 Millionen Dollar gekauft. UBERMORGEN konterten sofort mit einem Bild von einem Penis in den Farben des Alien-Punks, das sie am 13. Februar um 0.04 Uhr auf der Blockchain Tezos gemintet und über den Marktplatz objkt.com zum Verkauf angeboten haben. „The D1ck #5822“ wurde für 20 Tezos (ca. 40 US Dollar) verkauft und vom Sammler sogleich für 2.7 Millionen Tezos gelistet, also zum Verkauf angeboten. Bisher ist diese Summe nicht gezahlt worden. Mittlerweile befinden sich auch zwei der „D1cks“ in der Sammlung des HEK Basel.

The D1ck #5822, UBERMORGEN

LarvaLabs haben mit den CryptoPunks einen Trend losgetreten, der Erfolg verspricht: 10K+ Profile Picture Projekte (PFP). Der Bored Ape Yacht Club ist das wohl bekannteste NFT-Projekt, das ebenfalls mit Rekordverkäufen Schlagzeilen macht. Promis wie Paris Hilton, Justin Bieber und Madonna besitzen mittlerweile ein solches PFP, das sie bisweilen als Profilbild in den sozialen Medien nutzen. Affen bevölkern Twitter, dazwischen Moonbirds, Doodles, CloneX und viele Weitere. Statt Handtaschen, Uhren oder Autos irl sind Profilbilder die neuen Statussymbole online, sie signalisieren zudem Zugehörigkeit zu einer Community und ermöglichen Zugang zu exklusiven Inhalten (z.B. einem Metaverse) und weiteren NFTs oder Token.

The D1ck #1102, UBERMORGEN

Warum aber nun Penisse von UBERMORGEN? Die Antwort findet sich im Text zur Sammlung: „I guess everybody needs a d1ck, so go ahead, buy and be a d1ck. I mean have you ever seen anything relevant without a d1ck? Every d1ck is hand-crafted by lizvlx’s tender feminine hands“, steht dort unter anderem. Männer machen Kunst, Männer kaufen Kunst, Männer entscheiden über Relevanz, Männer machen Preise, so die pointierte Antwort. Man muss nur die Verkaufszahlen von NFTs betrachten: Künstlerinnen machen nur 5 % des Umsatzes auf dem NFT-Markt aus, nur 16 % der NFT-Schaffenden sind weiblich.

UBERMORGEN wären nicht UBERMORGEN, wenn sie nicht subversiv auf die neue Online-Kunstwelt reagieren würden. Vordergründig scheinen sie mit einem weiteren PFP-Projekt den Markt zu bedienen.

“Es gilt die alte Regel: man muss Gründe haben etwas nicht zu tun. Es braucht nie einen Grund, um etwas zu tun. Das Tun ohne Grund als Basis des Dada paart sich perfekt mit der NFT-Sphäre. Es wird verkauft, was nicht zu besitzen ist, und dadurch entsteht erst der prä-postkapitalistische Zusatzwert in Form eines unmöglichen Objektes. Die Idee, es zu besitzen ist realer als das Objekt selbst, und das macht das unmögliche Objekt, das NFT, zu einem Mehr und nicht zu einem Weniger.”

The D1ck #1371, UBERMORGEN

Im Konkreten: So einen D1ck, den stell dir vor neben Dürers Betenden Händen, beide Objekte, wie sie um ihre Erfüllung des Endzeittraums beten – Aufnahme in die heiligen Hallen des Erfolgs. Dürer, der Erfinder des Brandings in der Kunst wäre ja endzeitgeil auf NFTs gewesen“, schreiben mir UBERMORGEN auf die Frage: Warum überhaupt NFTs von UBERMORGEN?

The D1ck #5337, UBERMORGEN

Und es ist ja tatsächlich nicht einfach ein weiteres PFP-Projekt, 10.000 automatisch generierte Bildchen, die schnellen Erfolg versprechen. Nein, UBERMORGEN nehmen das Tempo aus dem sich immer schneller drehenden NFT-Markt und droppen in unregelmäßigen Abständen ihre D1cks. Handgemachte Penisse von einer Frau, die an die Pixel-Gemälde mit einer Präzision herangeht wie ein Maler an eine Leinwand. UBERMORGEN nennen ihre Sammlung von D1cks Haute Couture, jeder D1ck ist ein Unikat. Und ja, die pubertären Wortwitze sind gewollt. Wer einen solchen D1ck besitzt und darüber spricht, macht vielleicht sogar ganz ungewollt dirty jokes. Das sind UBERMORGEN, Media Hacking und digitaler Aktionismus auf dem Markt der Aufmerksamkeit, jetzt schleusen sie pubertären Humor dort ein, wo sonst nur noch das Geld spricht.

The D1ck #2238, UBERMORGEN