Abschied von Karin Ohlenschläger

Wir trauern um unsere Kollegin und Freundin Karin Ohlenschläger, die am 24. August 2022 verstorben ist. Ihr Tod ist ein grosser Verlust – privat wie auch für die Kunstwelt. Dies soll keine Auflistung von Karins beruflichem Werdegang sein und der zentralen Rolle, die ihr als Kuratorin in der internationalen Medienkunstszene sowie der Entwicklung der spanischen Medienkunstszene zukam. Vielmehr ist es ein persönlicher Blick auf gemeinsame Projekte und eine anhaltende Freundschaft.

Karin Ohlenschläger (1959-2022) war Kunstkritikerin und Kuratorin, die sich seit 1985 mit Medienkunst, Wissenschaft und zeitgenössischer Kunst beschäftigte. Unsere Wege kreuzten sich zum ersten Mal im Jahr 2003, wo wir im Rahmen der von Karin konzipierten Ausstellung «Bankett. Metabolismus und Kommunikation» kuratorisch am ZKM | Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe zusammenarbeiteten. Der biologische Begriff Metabolismus wurde in der Ausstellung auf ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Systeme übertragen. Das Ergebnis war eine unglaublich vielfältige und eindrückliche Ausstellung, die den technologischen Wandel aus dieser Perspektive in den Blick nahm. Im Anschluss tourte die Ausstellung nach Barcelona an das Palau de la Virreina und an das MediaLab Madrid im Kulturzentrum Conde Duque, dessen Co-Direktorin und Mitbegründerin Karin war (2002-2006).

Den Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft widmete Sie sich mit Leidenschaft und kuratorischer Kompetenz ein Leben lang. Die Begegnung im Rahmen dieser Ausstellung war der Beginn einer Freundschaft und einer wiederkehrenden professionellen Zusammenarbeit. 2007 realisierten wir die erste Ausstellung zum Themenkomplex Kunst und Ökologie, der ihr so wichtig war. Unter dem Titel «Ökomedien. Ökologische Strategien in der Kunst heute» entstand eine Ausstellung, die ausgehend vom Verständnis der Ökologie und der Nachhaltigkeit als ein Kommunikationssystem progressive Vorstellungen und utopische Zukunftsvisionen eines besseren Miteinanders von Mensch und Natur vorstellte. Die Ausstellung tourte auch nach Basel an das Plug.in – Forum für neuen Medien. Elf Jahre später wollten wir dieses zentrale Thema nochmals gemeinsam in den Blick nehmen und realisieren die Ausstellung «Eco-Visionaries», die 2018 am HEK (Haus der Elektronischen Künste) zu sehen war. Auch die Ausstellung «Earthbound. Im Dialog mit der Natur», die am 2. September 2022 am HEK eröffnet wird, steht in der Tradition dieser Auseinandersetzung.

 

Ich erinnere mich an die intensiven und spannenden Diskussionen, die ich im Rahmen dieser Projekte mit Karin führte, an die Leidenschaft, mit der sie an Themen heran ging, relevante Fragestellungen entwickelte und sich stark machte für ein Verständnis von Medienkunst und deren Potential für die Gesellschaft. Den Dialog zwischen Kunst, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft zu erforschen und für ein breites Publikum zugänglich zu machen, war ihr ein grosses Anliegen. Durch Karin habe ich die spanische Medienkunstszene kennengelernt und es freut mich, dass wir im Rahmen von «Eco-Visionaries» auch mit LABoral Centro de Arte y Creación Industrial in Gijon, Spanien, kooperieren konnten, dessen künstlerische Leiterin sie von 2016-2021 war.

Ich habe viel von ihr gelernt und erinnere mich an sie als einen herzlichen, neugierigen, wissbegierigen, intellektuellen, aufgeschlossenen, und fröhlichen Menschen voller Energie und Tatendrang. Intensiv im positivsten Sinne ist das Wort, das mir einfällt, wenn ich an Karin denke. In ihrem eindrücklichen Abschiedsbrief wurde ein letztes Mal deutlich, wie lebensbejahend, stark und weitsichtig Karin war. Niemanden wollte sie ihretwegen traurig sehen. Ich danke Karin für die wunderbaren Momente und Begegnungen, die wir erleben und teilen konnten und die Inspiration und Freundin, die sie für mich war. «Netzwerke sind ein dem Leben innewohnendes Gefüge.» schrieb Sie in einem Text. Beruflich wie privat hat Karin wirksame und nachhaltige Netzwerke aufgebaut und es ist mir eine grosse Freude und Ehre, Teil davon sein zu dürfen. Der Endlichkeit des Lebens etwas Bleibendes entgegenzusetzen ist der Anspruch der Kunst. In ihrem Abschiedsbrief schreibt Karin, dass ihr Leben dienen sollte. Diesen Wunsch hat sie mit ihrem beeindruckenden Leben und kuratorisch-wissenschaftlichem Oeuvre eingelöst und uns damit ermöglicht, sie in wunderbarer Erinnerung zu behalten.

Sabine Himmelsbach, Direktorin HEK (Haus der Elektronischen Künste)